Kleines Programm, große Wirkung
Wie eine dynamische RÜB-Ablaufsteuerung in Langenaltheim Kosten und Ärger spart und die Umwelt schützt
Keine eigene Kläranlage, immer öfter Starkregen und ein weitläufiges Kanalnetz mit unterschiedlichen Belastungen, das waren die kniffeligen Herausforderungen, die Thomas Daeschler als Abwassertechniker in Langenaltheim zu meistern hatte. Fünf über die mittelfränkische Gemeinde verteilte Regenüberlaufbecken nehmen bei Regenwetter Abwasser auf, damit die anfallenden Regenmengen möglichst schnell abfließen und der „am Ende“ liegende Messschacht für die Übergabe an die Kläranlage Treuchtlingen die vertraglich vereinbarte maximale Abgabemenge möglichst nicht überschreitet. Mit einer einfachen, linearen Entlastung aller RÜB nacheinander – ohne Berücksichtigung aktueller Zustände in den Becken - konnten diese Ziele immer öfter nicht mehr eingehalten werden. Die Folge: empfindliche Kosten, die bei Überschreitung einer eintägigen Nachlauffrist von Treuchtlingen berechnet wurden. Zudem kam es immer häufiger zu Entlastungen der RÜB in die Landschaft, was besonders bei einem RÜB in einem Wohngebiet sehr nachteilig war. Um die Ablaufsteuerung einigermaßen zu bewältigen, waren oftmalige manuelle Steuerungseingriffe erforderlich, die Herrn Daeschler zu jeder Tages- und Nachtzeit beanspruchten.
Es war also Zeit, die Kanalnetzsteuerung zu optimieren.
Ziele
Ziel 1: möglichst zügiger Ablauf bei/nach Regenwetter --> langer Nachlauf kostet Zusatzgebühren
Ziel 2: Beckenüberläufe der RÜBs in Wohngebieten minimieren
Ziel 3: vertragliche Abgabemenge an externe Kläranlage einhalten bzw. möglichst gering und selten überschreiten
Ziel 4: Manuelle Steuerungseingriffe zur Ablaufoptimierung so weit wie möglich reduzieren
Auch bei kleineren Kanalnetzen rentiert sich eine Optimierung der Abflusssteuerung
Gerade große Kanalnetze profitieren mit ihren vielen Entlastungsbauwerken von einer intelligenten Kanalnetzsteuerung, weil die Regenmengen in den Becken und auch in den Kanalsträngen selbst relativ flexibel und voneinander abhängig „zwischengespeichert“ werden können. So kann der Zulauf zur Kläranlage bei Regenwetter optimal geregelt werden.
Dass eine Kanalnetzsteuerung auch bei kleineren Netztopologien große Vorteile bringt, hat das aktuelle Projekt in Langenaltheim bewiesen. Im dortigen Gemeindegebiet gibt es fünf Regenüberlaufbecken, von denen drei in einem dicht besiedelten Wohngebiet liegen. Eines davon, das RÜB Nord-West, ist klein dimensioniert und hat bei den stärkeren Regenfällen der vergangenen Zeit immer wieder in die Umgebung entlastet, verständlicherweise zum Unmut der dortigen Bewohner.
Die neue, intelligente Steuerung wurde von SCHRAML in enger Abstimmung mit Herrn Daeschler umgesetzt und reagiert nun dynamisch auf die aktuellen Zustände und Werte in den Becken und im Netz. Neben dem grundsätzlichen Prinzip des schnelleren Prüfens und Reagierens (z.B. Wechsel der Entleerungsreihenfolge und Dauer) basiert das Programm nun auf einer Priorisierung der RÜB an den verschiedenen Standorten (Siedlungsgebiet, freie Landschaft) und auf der Anwendung dreier, vom Mischwasseranfall abhängigen Steuerprogramme: eines für Trockenwetter und zwei für Regenwetter. Bei Trockenwetter werden die beiden nicht im Siedlungsgebiet liegenden RÜB möglichst leer gehalten, um bei anhaltendem Regen den Becken aus dem Wohngebiet möglichst viel Vorrang geben zu können. Die zwei Programme bei Regenwetter regeln, dass das kritische RÜB Nord-West möglichst nicht überläuft und gleichzeitig die dahinter liegende Druckleitung mit nie mehr als 23 l/s Wassermenge beschickt wird.
Prozessbild-Zeitraffer: Abflusssteuerung im Langenaltheimer Kanalnetz während eines Regenereignisses
SCHRAML Fernwirkstationen steuern über ein CODESYS-Programm die Drosselschieber
Die Steuerung der Drosselschieber an den RÜB erfolgt über SCHRAML Fernwirkstationen, die über CODESYS-Programmierung gleichzeitig als SPS fungieren. So sind die Vorteile einer Fernwirkstation wie zuverlässige Datenzwischenspeicherung und -übertragung und die Steuerung selbst in einem Gerät leistungsstark, durchgängig und gut zu überwachen und zu pflegen vereint.
Im Bedarfsfall kann er die Programmautomatik direkt im Leitsystem unterbrechen und per Handsteuerung übernehmen, was aber nur noch sehr selten, z.B. bei Problemen der Mechanik, vorkommt.
SCHRAML Fernwirkstation und SPS in einem
Thomas Daeschler behält den Überblick über die fein aufeinander abgestimmte Abflusssteuerung mit einem übersichtlichen, vollanimierten Prozessbild im AQASYS Prozessleitsystem, auf dem alle Informationen wie räumliche Verteilung der RÜB und des Netzes und die Werte jedes Bauwerks grafisch dargestellt sind. Der gezielte Einsatz von Farben und Balkengrafiken lässt mit einem Blick die aktuelle Situation im Kanalnetz erkennen. Per Zeitraffer-Video im AQASYS Leitsystem können die Prozesse auch im Nachgang nochmal geprüft werden.
In der AQASYS Ganglinie kann Thomas Daeschler Beckenüberläufe anhand von Markerlinien schnell identifizieren
In AQASYS kann er sich alle wichtigen, aktuellen Werte auch übersichtlich als Dashboard anzeigen lassen. Die Gestaltung und bedarfsgerechte Anpassung der Grafiken und Dashboards kann er selbstständig in AQASYS vornehmen.
Dashboard mit den wichtigsten Werten auf einen Blick
Geringer Aufwand und kurze Zeit für die Implementierung der Steuerung
Nach mittlerweile gut neun Monaten Einsatz der neuen Abflussmaximierung bestätigt Thomas Daeschler: „Die optimierte RÜB-Entleerung hat die Schäden und Kosten, die bei Starkregenfällen immer öfter aufgetreten sind, wirklich deutlich reduziert und das bei sehr überschaubaren Kosten für die Implementierung des Programms. Damit wurden alle Anforderungen erfolgreich und schnell umgesetzt.“
Dazu gibt es bereits eindeutige Analysen aus dem Vergleich des Zeitraums Juni – November 2019 und 2020 mit dem gleichen Zeitfenster in 2021, in dem die Entlastungsanlagen erstmals mit der neuen Steuerung gefahren wurden. Die Häufigkeit der Beckenüberläufe des kritischsten RÜB Nord-West konnte um 65 % gesenkt werden, die Überlaufmenge um 80% und die Überlaufdauer um 83%. Insgesamt konnten die drei Kennziffern Überlaufhäufigkeit, -menge und -dauer an 4 von 5 RÜB deutlich reduziert werden. Alle fünf Becken zusammen genommen konnte die Menge der Beckenüberläufe um 15% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesenkt werden.
Eine sehr gute Bilanz ergibt sich auch bezüglich der Übergabemenge am Messschacht zu Treuchtlingen. Die vertragliche Menge von 30 l/s wurde viel seltener überschritten als vor der Steuerung und dann auch nur wesentlich weniger (max. 35 l/s i. Vgl. zu 40-50 l/s vor der Optimierung). Positiv ist auch, dass die 30l/s-Marke um 40% häufiger „ausgereizt“ wurde als vorher, ergo das Langenaltheimer Kanalnetz dadurch besser entlastet werden konnte.
Neben den harten Fakten sind natürlich auch die Erleichterungen für den Mann in der Verantwortung, also für Herrn Daeschler, zu spüren: weniger Ärger und ruhigere Nächte bei Regenwetter.
Klärmeister Thomas Daeschler an einem Pumpwerk
Kanalnetzoptimierung vermeidet teuren Ausbau der RÜB Bauwerke
Dank der neuen dynamischen und kanalnetzübergreifenden Steuerung mussten die bestehenden Kanalbauwerke nicht ausgebaut werden, sogar das eigentlich unterdimensionierte RÜB Nord-West kann ohne Gefahr von Entlastungen in die Umwelt unverändert bestehen bleiben. Stand heute ist kein Bau weiterer Entlastungsanlagen erforderlich. Für Langenaltheim eine gute Nachricht sowohl hinsichtlich der Kosten als auch hinsichtlich des Schutzes vor Beckenüberläufen generell und insbesondere in den Wohngebieten. Und das zu sehr überschaubaren Aufwänden für die Entwicklung des neuen Steuerungsprogramms durch SCHRAML.
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